Ausser Dienst
Gastfreundliche Menschen, bis zur Perfektion möchte ich andeuten, gefallen uns allen. Mir besonders, seit einiger Zeit bin ich nicht so verwöhnt worden. Inmitten einer faulen Woche, etwas abseits der wiederlichen raubkapitalistischen Weltkrise, am Strand von Busca-Vida in Brasilien, übergibt mir die Gastgeberin Helmut Schmidts neuestes Buch: Ausser Dienst.
Sehr passend, bin zur Zeit auch für die Woche ausser Dienst.
Sie ist vom Altkanzler begeistert, ich weniger. Eigentlich lass ich mich von Politikern und die leidliche mitgehende Oberflächlichkeit nicht motivieren. Auch wenn diese Damen und Herren schwören es nur dem Bürger und dem Gemeinwohl wegen zu tun, mit den leeren Reden, mit den gigantischen Morden (richtig, die schlimmsten Massenmörder sind oder waren ausschliesslich Politiker, A. Hitler und Josef Stalin bilden da die traurige Führung, Harry Truman bis zum Mini-Massemmörder Idi Amin sind auch dabei.) und letzendlich mit der riesigen Unwissenheit zu spezifischen Themen, wie im Moment die Lösung zum Problem der faulen Hypotheken und ihre Derivative.
Diese Oberflächlichkeit des allgemeinen oder auch des Spitzenpolitikers ist Thema dieses Buchs, Siedler Verlag, 2008.
Hemut Schmidt schreibt über Erfahrungen, Demokratie, Parteien, Oppositonsführer und ihre Fehler, seine eigenen fehlerhaften Entscheidungen, Religionen, Toleranz, Staatsmänner die ihn begeistern, darunter auch Diktatoren, Banken und Banksysteme. Über seine Unkenntnis zum Thema Massenmorde während seiner Militärzeit, diese wiederkehrende allgemeindeutsche Beteuerung, "wir wussten von nichts". Ein seltsames Volk von Mitläufern oder Beugung der brutalsten Staatsgewalt in millionefacher Ausführung der Unterdrückung? Er kommt da nicht weiter.
Aber ein immerhin interessantes Buch, seine Weltanschauung geprägt von leicht konservativen und autoritären Bemerkungen. Zum Beispiel seine Abwandlungen zum Thema Grundgesetz, das öfters von reaktionärer Seite hervorgetragene Leitmotiv, dem Bürger stünden nicht nur Rechte zu, sondern auch Pflichten an.
Wenn ich hier am Strand über dieses nachdenke und dabei aus der Küche die schönen Gerüche aufnehme, in Erwartung einer garantiert guten Mahlzeit, sehe ich die kleine Köchin Arilda. Ihre Vorfahren sind per Sklaver-Segler in Ketten in dieses riesige Land verschleppt worden, seit etwas mehr als 100 Jahre sind sie frei.
Sie kennt ihre Pflichten, eine 24 jährige Witwe mit ihrem kleinen Kind.
Aber das brasilianische Grundgesetz, und ihre Rechte daraus, kennt sie nicht.